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Verhaltensforschung

Schimpansen-Gespräche folgen menschlichen Mustern

Die Menschenaffen wechseln in Unterhaltungen ähnlich schnell hin und her wie wir

Schimpansengruppe
Schimpansen kommunizieren in menschenähnlichen Mustern. © Editorial12/ iStock

Plaudernde Primaten: Wenn Schimpansen sich „unterhalten“, dann wechseln sich die gestikulierenden Gesprächspartner ähnlich schnell ab wie wir Menschen, wie Verhaltensbiologen herausgefunden haben. Somit ist die Kommunikation dieser Menschenaffen der unseren noch ähnlicher als gedacht. Und es gibt noch eine weitere unerwartete Gemeinsamkeit, die Schimpansenplaudereien mit menschlichen Gesprächen teilen.

Schimpansen sind unsere nächsten Verwandten und uns daher in vielerlei Hinsicht ähnlich. So hat ihre Kommunikation zum Beispiel einiges mit menschlicher Sprache gemeinsam. Indem Schimpansen kombinierte Rufe einsetzen, demonstrieren sie etwa die Fähigkeit zum Satzbau. Außerdem passen die Menschenaffen ihre Kommunikation den jeweiligen Zuhörern an und sind auch nonverbal – in der Form von Gesten – gewandte Plauderer.

Lauschoffensive im Urwald

Auch in anderen Belangen könnte die Kommunikation der Schimpansen der unseren ähneln, wie Forschende um Gal Badihi von der schottischen University of St Andrew nun herausgefunden haben. Wenn wir Menschen uns unterhalten, dann tun wir dies selten linear im Sinne von: Person A spricht zwei Minuten lang, dann hält Person B einen Monolog. Vielmehr wechseln wir uns sehr schnell mit dem Sprechen ab, reagieren auf das Gesagte des anderen und fallen uns mitunter auch mal ins Wort.

Solche schnellen Wendungen mit durchschnittlich nur 200 Millisekunden Pause dazwischen sind über alle menschlichen Sprachen hinweg zu beobachten. Doch sind sie wirklich nur uns Menschen vorbehalten? Um das herauszufinden, analysierten Badihi und ihre Kollegen „Gesprächs“-Aufzeichnungen von fünf wildlebenden Schimpansengruppen aus Ostafrika. Insgesamt konnte das Team über 8.500 verschiedene Gesten von 252 Individuen erfassen und in diesem Datenschatz dann auf Mustersuche gehen.

Schimpansen wechseln so schnell wie wir

Das Ergebnis: In 14 Prozent der aufgezeichneten Interaktionen tauschten die Schimpansen ausschließlich Gesten aus, wie die Forschenden berichten. Meist bestand ein solcher Austausch nur aus einer Geste pro Gesprächsseite, zum Beispiel, wenn ein Gruppenmitglied ein anderes zu einer bestimmten Handlung aufforderte und dieses dann auf die Forderung reagierte.

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In einigen Fällen bestand der Austausch aber auch aus bis zu sieben Wendungen – und diese folgten mit durchschnittlich 120 Millisekunden langen Pausen dazwischen ähnlich schnell aufeinander wie bei uns Menschen. „Die Ähnlichkeiten zu menschlichen Gesprächen bestärken die Beschreibung dieser Interaktionen als echten gestischen Austausch, bei dem die Gesten, die als Antwort produziert werden, von denen der vorherigen Runde abhängen“, erklären Badihi und ihre Kollegen.

Und noch eine Gemeinsamkeit teilen die gesprächigen Schimpansen mit uns Menschen: Die verschiedenen Gemeinschaften dieser Menschenaffen brauchten unterschiedlich lange, um auf das Gesagte des Gegenübers zu reagieren. „Bei den Menschen sind es die Dänen, die ‚langsamer‘ antworten, und bei den östlichen Schimpansen ist es die Sonso-Gemeinschaft in Uganda“, berichtet Seniorautorin Catherine Hobaiter von der University of St Andrews. „Faszinierenderweise scheinen die Schimpansen sowohl unser universelles Timing als auch subtile kulturelle Unterschiede zu teilen.“

Verwandtschaft oder Grundprinzip?

Nach Ansicht der Forschenden deuten die neuen Erkenntnisse darauf hin, dass die menschliche Sprache längst nicht so einzigartig sein könnte, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Ob Mensch und Schimpanse allerdings nur deshalb ähnlich kommunizieren, weil sie so eng miteinander verwandt sind, oder ob es sich bei dem Schnellfeuer unter den Gesprächsteilnehmern vielmehr um eine Art Grundprinzip der Kommunikation handelt, ist noch unklar.

„Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, müssen wir die Kommunikation bei entfernter verwandten Arten erforschen – damit wir herausfinden können, ob es sich dabei um ein Merkmal der Affen handelt oder um eines, das wir mit anderen sehr sozialen Arten wie Elefanten oder Raben teilen“, erklärt Hobaiter. (Current Biology, 2024; doi: 10.1016/j.cub.2024.06.009)

Quelle: Cell Press, Current Biology

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